NRZ | Digitales Themenheft | Heimat am Niederrhein

Hier steht ein Teaser IST NUR EIN PLATZHALTER BLINDTEXT Foto: XX Von Wölfen, Radrunden und Fahrten auf dem toten Gleis AB AUF DEN SATTE HEIMAT AM NIEDERRHEIN Foto: Ralf Rottmann/FFS

UNTERWEGS MIT DEM RAD IMPRESSUM Zeitungsverlag Niederrhein GmbH & Co. Essen KG: Jakob-Funke-Platz 1, 45127 Essen, Sitz Essen, Registergericht Essen HRA 4848, Telefon: +49 (0)201/804-0, Fax: +49 (0)201/804-2352 • Ein Titel der FUNKE Mediengruppe Herausgeber: Heinrich Meyer Vertretungsberechtigte Geschäftsführer: Dr. Jörg Kurzeja, Andrea Glock, Simone Kasik, Thomas Kloß, Christoph Rüth Verantwortlich i. S. v. § 18 Abs. 2 MStV fur dieses Dossier: Manfred Lachniet (V.i.S.d.P.), Ralf Kubbernuß Realisation: FUNKE Sonderthemen, FUNKE Redaktions Services Verantwortlich für den Inhalt des Hauptheftes: Ralf Kubbernuß, Frank Grieger, Achim Faust, Ingrid Janssen, Sara Schurmann Gestaltung und Umsetzung: FUNKE Redaktions Services Liebe Leserinnen, liebe Leser, aller guten Dinge sind ja bekanntlich drei. Das gilt ganz besonders für das Radfahren am Niederrhein. Erstens lassen Wiesen und Felder den Blick in die Ferne schweifen. Zweitens erfahren wir an Flüssen und Kanälen viel über das Leben in der Region – von der Binnenschifffahrt bis zur Ruhrgebiets-Romantik. Und drittens spendet bei der Sommerradtour der Wald kühle Frische, während die Sonnenstrahlen durch das Blätterdach funkeln. Bei alldem ist der Niederrhein dann auch noch so herrlich platt und die Menschen so nett. Was gibt es Schöneres, als bei einer Radtour im Bauernhofcafé am Waldrand ein Stückchen Kuchen zu essen oder im Biergarten am Kanal die abgefahrenen Kalorien wieder aufzufüllen? Mit ihren unterschiedlichen Natur- und Kulturlandschaften ist die Region für Radfahrer so abwechslungsreich und attraktiv, hat für wirklich jeden Geschmack etwas zu bieten. Sie merken schon: Es gibt genügend Gründe, um aufs Rad zu steigen und sofort loszufahren. Vorher sollten Sie aber auch jeden Fall einen Blick in dieses Heft werfen, das bestimmt auch für erfahrene Niederrhein-Radler noch ein paar Überraschungen bereithält. Wir sehen uns bei der Fahrradtour am Niederrhein! . Ralf Kubbernuß stellv. Chefredakteur der NRZ

UNTERWEGS MIT DEM RAD AUS DEM INHALT DIE ETWAS ANDEREN FAHRRÄDER SICHER IM SATTEL FAHRRADFAHREN IST WIE URLAUB! SPRÜCHE UMS RAD ÜBER GLEISE UND GRENZEN DIE GLANZ- UND GLORIA-RUNDE NUTZLOSES FAHRRADWISSEN 16 HOCH ZU RAD 22 4 14 18 DER TRAUM VON DER TOUR DE FRANCE 24 12 15 SELBST SCHRAUBEN ODER SCHRAUBEN LASSEN 20 6

UNTERWEGS MIT DEM RAD 4 „Fahrradfahren ist wie Urlaub!“ Duisburg. Es nieselt. Wobei, eigentlich ist das ein niederrheinischer Euphemismus. Es regnet. Macht aber nix! Jens Harnack zieht sich einfach seine neongrüne Jacke an, schlüpft in seine bequemen Turnschuhe und holt dann sein Fahrrad aus dem Verschlag im Vorgarten. Doch bevor er durch den (Niesel-)Regen zum Markt fährt, erzählt er (zum Glück im Trockenen), wieso er bereits vor rund 25 Jahren sein Auto abgegeben hat und wie er seitdem so ziemlich alles mit seinem Drahtesel erledigt. Herr Harnack, die Schlammspritzer auf Ihrer Regenjacke sehen noch ziemlich frisch aus… Ja, ich bin heute Morgen schon kurz unterwegs gewesen. Jens Harnack hat vor 25 Jahren sein Auto verkauft und erledigt seitdem so ziemlich alles mit dem Fahrrad. Es regnet? Macht doch nix! Foto: Stefan Arend/ FUNKE Foto Services Jens Harnack fährt Fahrrad – immer, auch bei niederrheinischem Nieselregen. Radeln für Schokolade Kurz vorm Interview hat Jens Harnack an der Schokofahrt teilgenommen. Die Idee: Der Kakao wird emissionsfrei mit einem Segelschiff nach Amsterdam gebracht, wo die Chocolatemakers die Schokolade herstellen. Diese bringen Freiwillige auf Rädern dann im Rahmen der Schokofahrt nach Deutschland und darüber hinaus. Weitere Infos: www.schokofahrt.de Wie viele Kilometer waren das? Ach, das ist nicht der Rede wert, rund drei Kilometer. Später geht’s noch zum Markt und zum Sport. Aber das sind heute alles kurze Wege, die ich mit meiner alten Gurke fahre. Für längere Strecken habe ich andere Räder, mit denen das Fahren auch richtig Spaß macht. Das ist das A und O, wenn man überlegt, das Auto stehen zu lassen und dafür mehr Rad zu fahren. Wieso haben Sie vor 25 Jahren umgesattelt – vom Auto aufs Rad? Ich war von klein auf immer mit dem Fahrrad unterwegs, weil ich aufm Dorf groß geworden bin. Meine Schulfreunde kamen alle aus den Dörfern drumherum, ein Mama-/ Papa-Taxi oder Busse gab’s nicht, und so bin ich als VON SARA SCHURMANN Zwölfjähriger auch schon mal 20 Kilometer über die Bundesstraße gefahren. Weil wir im Mittelgebirge gelebt haben, ging’s dabei die Berge hoch und runter, ohne Gnade. Später, während meines Studiums in Marburg, war das ähnlich, da bin ich mit dem Rad auch den Berg hoch zur Uni, bei Wind und Wetter. Klingt nicht sehr angenehm… Das war dann eben so. Ich kann zwar Auto fahren, mache das aber nicht gern. Meine Frau hatte auch eine gewisse Zeit einen Wagen, aber als unsere jüngste Tochter zwei, drei Jahre alt war, haben wir den verkauft und stattdessen für die Lütte einen Fahrradanhänger geholt. Seitdem erledigen meine Frau und ich alles nur noch mit dem Rad oder dem ÖPNV.

UNTERWEGS MIT DEM RAD 5 Den Familienalltag mit vier Kindern und ohne Auto zu managen, war doch sicher eine Herausforderung? Nee, überhaupt nicht. Klar, wir haben schon strategisch geschaut, dass wir nicht irgendwo aufs Land ziehen, wo wir nicht an den ÖPNV angebunden sind. Wir haben uns deshalb für ein Haus entschieden, von dem aus wir nach 300 Metern an gleich fünf Buslinien sind, mit denen wir nach Moers, Krefeld oder Duisburg kommen. Die einzige Einschränkung, die wir aber bewusst in Kauf genommen haben, sind die Außenbeziehungen. Freunde und Freizeitangebote müssen mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV erreichbar sein. Keine Frage, dass Sie zur Arbeit immer geradelt sind… oder? Genau, eine Strecke war etwas länger als 24 Kilometer, aber ich habe auch den kleinen, schöneren Umweg genommen. Meine Kollegen haben immer gesagt, dass ich doch auch den Zug nehmen könnte. Aber erstens hätte ich dafür ebenfalls eine Stunde gebraucht, zweites hätte es Geld gekostet, drittens hätte ich immer auf die Uhr gucken müssen… und ich bin ein uhrenloser Mensch (lacht). Mit dem Fahrrad war ich dagegen unabhängig. Außerdem musste ich bei 30 Grad nie ins heiße Auto steigen oder im Winter die Schreiben frei kratzen. Ach, es gibt 1000 Gründe fürs Fahrrad und nur einen fürs Auto: die Ausrede. Naja, aber wenn es nun wirklich regnet oder glatt ist? Haben Sie noch nie gedacht: Och nö, heute habe ich wirklich keine Lust? Natürlich ist das eine Herausforderung, das will ich gar nicht verhehlen. Aber ich habe das mal nachgehalten. Von 400 Fahrten im Jahr bin ich 15 bis 20 Mal wirklich nass geworden. Wenn man das runterrechnet auf Strecken von drei bis fünf Kilometer, die ja die meisten mit dem Fahrrad fahren, dann passiert das noch deutlich seltener. Denn ja, ich fahre zwar bei Wind und Wetter, aber das muss man nicht machen. In der Regel gibt’s Alternativen, wie den ÖPNV, den muss man nur eben auch organisieren. Würden Sie sagen, es findet langsam ein Umdenken statt – auch durch das Stadtradeln, das Sie lange Zeit im Kreis Wesel mitkoordiniert haben? Allgemein ist das gesellschaftspolitische Bewusstsein tatsächlich ökologischer geworden. Aber wir sprechen nicht von 100 und auch nicht von 80 Prozent, sondern von 20 bis 25 Prozent, die tatsächlich etwas fürs Klima machen. Es ist also immer noch eine Minderheit, die das Fahrrad als Alltagsfahrzeug nutzt. Das liegt aber auch an den Rahmenbedingungen, die sich ändern müssten. Zum Beispiel? So lange jemand weiterhin die 500 Meter zum Bäcker mit dem Auto fährt, ist der Sprit zu billig. Klar, vielen tun die Preise auch weh, keine Frage. Aber dann müssen andere, klimafreundliche Angebote geschaffen werden. Oder so etwas wie die Pendlerpauschale: Die Leute ziehen aufs Land, weil es dort billiger ist, und pendeln in die Stadt, meistens mit dem Auto, weil es mit der Bahn zu lange dauert. Da verstehe ich die Politik einfach nicht. Grundsätzlich braucht unsere Gesellschaft mehr Entschleunigung und das geht hervorragend mit dem Fahrrad im Alltag. Seit dem 1. Januar 2023 sind Sie in Rente… Fehlen Ihnen nicht die täglichen 50 Kilometer auf dem Rad? Schon. Aber dafür unternehme ich jetzt andere Fahrten. Meine jüngste Tochter wohnt mittlerweile in Wuppertal, wo ich sie regelmäßig mit dem Fahrrad besuche. Eine Strecke ist zwar 60 Kilometer lang, aber ich habe einen Weg gefunden, der wirklich super ist. Also gut, wie würden Sie andere Menschen, vielleicht ja unsere Leserinnen und Leser, dazu motivieren, noch mehr Fahrrad zu fahren? Fahrradfahren ist wie Urlaub! Man entspannt, genießt die Natur und nimmt das Leben ganz anders wahr. Wenn ich morgens zur Arbeit im Sonnenaufgang über den Rheindeich gefahren bin, dort ein paar Schafe und Piepmätze gesehen habe, das war einfach immer herrlich!

UNTERWEGS MIT DEM RAD Die Glanz- und Gloria-Runde Niederrhein. Dass der Parkplatz, an dem wir unsere gemeinsame Fahrradrunde starten, ausgerechnet „LoosenBERGE“ heißt, sollte Sie nicht weiter beunruhigen. Eine Bergetappe wird hier nicht gefahren. Wäre am Niederrhein vielleicht auch ein bisschen schwierig. Insgesamt geht es bei unserer 44 Kilometer langen Tour gerade Unsere Fahrradtour rund um Schermbeck führt auf 44 Kilometern durch niederrheinische Landschaften und das Wolfsgebiet. Steigen Sie mit uns aufs Rad! Es lohnt sich! einmal 150 Meter bergauf - und selbstredend wieder bergab. Das sollte sich also auch für jene bewältigen lassen, die sich beim Radfahren nicht gerade als Bergziege bezeichnen. Eine solche war ja etwa Marco Pantani, der mit seiner unnachahmlichen Art einen Gipfel nach dem anderen erVON RALF KUBBERNUSS klomm, einmal gar die Tour de France und den Giro d’Italia in einem Jahr gewann. Aber das ist schon 25 Jahre her. Und Pantani kam ja auch aus Cesena bei Rimini und nicht aus Hünxe-Drevenack. Also zurück zum Niederrhein. Dort starten wir nun unsere Glanz- und Gloria-Tour. Über den Autor Ralf Kubbernuß (53) ist Stellv. Chefredakteur der NRZ und fährt gerne Rad. Die Glanz- und Gloria-Runde empfiehlt er, weil sie sehr abwechslungsreich ist, niederrheinische Landschaften mit der Ruhrgebiets-Romantik am Kanal verbindet. Unterwegs ist er mit einem Gravel-Bike (rustikalerRennrad-Trekking-Mix, mit dem man auch auf Wald- und Schotter- wegen fahren kann). Schreiben Sie ihm über Ihre Erfahrungen auf der Glanz- und GloriaRunde: r.kubbernuss@nrz.de Unsere Radrunde führt durch schöne Landschaften - hier durch die Üfter Mark. 6

Erst geht es durch den Wald, später am Kanal entlang. Typisch Niederrhein 7 Glanz- und GloriaRunde tabellarisch KM 0 Start/ Ziel Parkplatz Loosenberge, B58, Hünxe-Drevenack: Start in nördlicher Richtung, B58 queren, in Wachtenbrinker Weg fahren KM 4,7 rechts auf Marlberger Straße KM 5,2 links abbiegen auf Lohwiesenweg (oder weiter geradeaus zur Einkehr Gasthof Pannebäcker) KM 6,9 rechts auf Hogefeldsweg KM 7,5 links, danach rechts Weg Am Grünen Bock KM 9,8 links abbiegen KM 11 rechts halten KM 11,2 links in Overbecker Straße KM 14 Pausenplatz, an Weggabelung rechts halten (Rhader Weg) (Karte Punkt 1) KM 18 Schutzhütte mit Blick in die alte Sandgrube KM 18,6 rechts in Am Vorwerk KM 23,2 links Fahrradroute KM 24 rechts AmWaldfriedhof KM 24,2 links Fahrradweg KM 26 Nordufer Blauer See links (Einkehrmöglichkeit Thomas Püttmann) KM 26,8 Südufer Blauer See, über Borkener Straße südlich Richtung Lippedamm KM 28 Lippe überqueren, dann rechts auf Lippedamm KM 28,8 AussichtsplattformMaria Lindenhof (Karte Punkt 2) KM 31 Biergarten “anne Bänke” mit E-BikeLadestationen (Karte Punkt 3) KM 35 an Brücke rechts auf Maassenstraße KM 36,4 links in Radweg KM 39,8 Radweg macht eine kleine Südumgehung in U-Form KM 43,7 rechts in Straße Loosenberge KM44,2 Ziel (Start) Parkplatz Loosenberge / B58 B58 B58 A3 A31 Blauer See Wesel-Datteln-Kanal Lippe Raesfeld Schermbeck Hünxe 3 Weselerwald Dämmerwald Rhader Wiesen Naturpark Hohe MarkWestmünsterland Tiergarten Huenxer Bachtal Loosen Berge Der Hagen P Gahlen Damm Wachtenbrink Üfte Deuten Wulfen Rhade Lembeck Erle Bruckhausen Drevenack Malberg Start Ziel 1 2 Grafik: Anna Stais 7

UNTERWEGS MIT DEM RAD Nicht jedoch, ohne vorher zu klären, dass die Runde ihren Namen trägt, weil sie einerseits den Glanz verschiedener niederrheinischer Landschaften in sich vereint, andererseits geradewegs durch das Wolfsgebiet Schermbeck führt, wo seit einigen Jahren Wölfin Gloria und mittlerweile ihre ganze Familie die Diskussionen darüber anheizt, ob denn nun der Wolf in unsere Region gehört oder nicht. Wir streiten nicht darüber, wir radeln jetzt: Helm auf, Tacho auf Null (weil sich nachfolgende KM-Angaben in diesem Text immer auf den Startpunkt bei KM 0 beziehen) und los geht es in Richtung Norden. Zunächst queren wir vorsichtig die oft stark und schnell befahrene Schermbecker Landstraße (B58) und biegen schräg links gegenüber in den Wachtenbrinker Weg ein. Auf der gut asphaltierten Straße, die bald zur Allee wird, rollen wir uns trotz leichter Steigung locker ein und können den Blick über die Weite gleiten lassen. Nach 4,7 km biegen wir an der Malberger Straße rechts ab, nutzen Glorias Zuhause Seit 2018 ist klar, dass sich am Niederrhein ein weiblicher Wolf (Gloria) und mittlerweile auch Nachfahren niedergelassen haben. Mehrfach wurden Schafe und auch Ponys gerissen. Das „Wolfsgebiet Schermbeck“ mit umliegender Pufferzone umfasst einen bedeutenden Anteil des Naturparks Hohe Mark mit seinen ausgedehnten Wäldern und angrenzenden Kulturlandschaften. Nach Westen hin erstreckt sich das Wolfsgebiet bis zum Rhein, im Süden bis zur A2. Die aktuellen Wolfsnachweise liegen überwiegend inmitten dieses Gebietes mit einem Schwerpunkt in Bottrop, Dinslaken, Hünxe und Schermbeck. Pause gefällig? (Karte Punkt 1) Routen herunterladen Die Glanz- und Gloria-Runde haben wir mit dem Outdoor-NavigationsProgramm „Komoot“ geplant und dann daraus eine GPX-Datei erstellt. Diese lässt sich mit eigentlich allen Navigationsgeräten und auch mit dem Smartphone laden und nachverfolgen. Unser Tipp: Wenn Sie nicht unbedingt komplexe Touren planen wollen, muss es nicht die Abo-Version des Programms sein, es genügt die kostenlose Version von Komoot (für Android und Apple im jeweiligen Store verfügbar). Wir haben allerdings die kostenpflichtigen Karten von Komoot gekauft, die immer mal wieder im Angebot sind und dann nur einmalig bezahlt werden müssen. Diese Karten haben eine höhere Detailtreue als die kostenlosen Karten und werden auch aktualisiert. Die GPX-Datei der Glanz- und Gloria-Runde finden Sie hier: www.nrz.de/glanz 8

UNTERWEGS MIT DEM RAD aber den Radweg auf der gegenüberliegenden Straßenseite, da wir nach ein paar Häusern bei KM 5,2 links in den Lohwiesenweg einbiegen. Wer bereits an dieser Stelle eine Pause einlegen möchte, biegt nicht ab, sondern fährt geradeaus auf der Malberger Straße weiter bis zum Gasthof Pannebäcker (www.gasthof-pannebaecker.de), den wir allerdings nicht getestet haben. Wir sind stattdessen in den Lohwiesenweg eingebogen und nach wenigen Metern in den Dämmerwald gefahren. Die Wege hier sind Waldwege, die bei normalen Wetterverhältnissen mit jedem Fahrrad gut zu meistern sein sollten. Unterwegs haben wir Menschen auf Hollandrädern, Trekkingbikes und auch auf Kinderrädern getroffen: Zumindest bei uns hat sich keiner über die schlechten Wege beschwert… Wir folgen durch den Dämmerwald dem Lohwiesenweg, bis dieser bei KM 6,9 endet. Dort biegen wir nun rechts in den Hogefeldsweg ein, fahren nach Die Schutzhütte an der Sandgrube. 600 Metern bei KM 7,5 links und dann direkt wieder rechts in den Weg Am Grünen Bock. Bei KM 9,8 biegen wir dann links ab, halten uns dann bei KM 11 rechts (Lichtenhagen) und nach nur 200 Metern (KM11,2) fahren wir dann links in die Overbecker Straße. Am Waldrand und an versteckten Seen, die links durch die Bäume zu entdecken sind vorbei, folgen wir der Overbecker Straße auch über die Erler Straße hinweg (danach heißt die Straße Schulweg). Zusammen unterwegs Bei den allermeisten Wegen der Glanz- und Gloria-Runde handelt es sich um ausgewiesene Fahrradwege. Trotzdem ist das Miteinander von Fußgängern und Radlern nicht immer einfach. Unsere Bitte: Nehmen Sie Rücksicht aufeinander, machen Sie auch mal Platz, lassen Sie andere vorbei. Ein freundliches „Dankeschön!“ oder „Hallo!“ kann Wunder wirken. Besondere Vorsicht gilt beim Überholen von Fußgängern mit Hunden, die Radfahrer von hinten oft nicht kommen sehen. Frühzeitiges Klingeln gibt dem Hundehalter genügend Zeit, seinen Vierbeiner an die Seite zu nehmen. Immer dran denken: Wir sind alle in der Natur unterwegs, um dort Erholung zu finden und Spaß zu haben! 9

UNTERWEGS MIT DEM RAD An der Weggabelung bei KM 14 bietet sich die Gelegenheit zur kleinen Pause: Zwei Bänke und ein Tisch mit nebenstehender Blumenschale laden dazu ein, die selbst mitgebrachte Brotzeit auszupacken, etwas zu trinken und die Aussicht zu genießen. Wir teilen unseren Picknick-Platz mit dem Heiligen Nikolaus von der Flüe. Dem Schweizer Einsiedler (1417 – 1487), Asket, Friedensstifter und Namensgeber der ehemaligen Uefter Schule, hat nämlich hier S. Paula v.d. Schulenburg mit einem Bronzerelief ein Denkmal gesetzt, das schön anzuschauen ist. Nach der Pause entscheiden wir uns für den in Fahrtrichtung rechten Weg (Rhader Weg) und vor uns liegt der vielleicht landschaftlich attraktivste Abschnitt der Glanz- und Gloria-Runde. Es geht durch Kiefern und lichte Nadelbäume der Üfter Mark, die auf hell-sandigem Boden in die Höhe ragen. Unter den Reifen knirscht der gut ausgebaute Teil des Hohe Mark Steigs / Hohe Mark Radroute, der sich elegant durch die leicht weich-hügelige und ursprüngliche Landschaft schlängelt. Etwa bei KM 18 steht rechts eine Hütte mit Ausblick in die alte Sandgrube. Vor lauter Schwärmerei dürfen wir nicht vergessen, bei KM 18,6 rechts in den Weg Zum Vorwerk einzubiegen (kurz vor einer weiteren Schutzhütte am Vorwerk, wo man vor schlechtem Wetter Schutz suchen könnte). Wir folgen dem Weg über die Autobahn 31 hinweg und genießen die weitere Fahrt durch die Hohe Mark. Bei KM 23,2 folgen wir links der Fahrradroute, biegen dann an der Straße Am Waldfriedhof rechts ab, dann wieder links in den Fahrradweg. Ob Sie den Radweg links oder rechts des Wamm10

UNTERWEGS MIT DEM RAD Einkehr empfohlen: Der Biergarten „anne Bänke“ mit Selbstbedienung liegt direkt am WeselDatteln-Kanal. bachs erwischt haben, ist eigentlich fast egal: Alle Wege führen in diesem Fall nicht nach Rom, sondern zum Nordufer des Blauen Sees in Holsterhausen. Wenn wir den See an der Ostseite umfahren, bietet sich bei KM 26 mit dem Restaurant Thomas Püttmann die nächste Einkehrmöglichkeit mit Außengastronomie (die wir aber nicht getestet haben). Am Südufer des Sees suchen wir den Weg zwischen Sporthalle und Neuer Schule hindurch über die Plisterbecker Straße in Richtung Süden bis zum Lippedeich bei KM 28. Den Deich kennt hier wirklich jeder, bei Bedarf einfach durchfragen. Nun fahren wir über die Lippe und biegen rechts ab. Auf dem südlichen Lippedeich fahren wir nun zwischen Lippe und Wesel-Datteln-Kanal. Wo der Radweg auf den Kanal trifft, lohnt sich ein Gang auf die außergewöhnliche Aussichtsplattform Maria Lindenhof (KM 28,8). Nach niederrheinischen Feldern und Wäldern erleben wir von hier aus an Kanal und Lippe die dritte prägende Niederrheinlandschaft. Flach rollt es nun am Kanal entlang in Richtung Hünxe/Wesel. Direkt am Kanal liegt bei KM 31 der zum Campingplatz gehörende Biergarten „anne Bänke“. Den können Sie nicht verpassen und wir empfehlen eine Einkehr wärmstens. Bei Frikadelle und Bierchen aus dem Pülleken von der Bude (es gibt auch etwas ohne Fleisch und Alkohol) gönnen wir uns hier eine Pause und genießen die Ruhrpott-Romantik am Kanal. Wer mit dem E-Bike unterwegs ist, kann hier an zahlreichen Ladestationen auch seinem Fahrrad etwas Verpflegung gönnen. Nach der Pause geht es am Kanal weiter bis KM 35,4. Damit unsere Runde nicht zu eintönig wird, fahren wir nun an der Brücke rechts hoch und biegen an der Maassenstraße rechts ab, folgen dieser für einige hundert Meter. Bei KM 36,4 wechseln wir die Straßenseite und biegen links in den Radweg ein. Diesem folgen wir nun durch einen Grünzug samt kleiner Südumgehung (KM 39,8) bis wir bei KM 43,7 an der Straße Loosenberge landen. Dort biegen wir rechts ab und erreichen den Parkplatz, an dem wir gestartet sind, nach rund 44 Kilometern. Hier beenden wir die Glanz- und Gloria-Runde, die aus unserer Sicht zumindest der einen Hälfte ihres Anspruchs gerecht geworden ist: Den Glanz des Niederrheins haben wir erfahren. Die fehlende Begegnung mit Gloria haben wir aber auch nicht wirklich vermisst. 11

UNTERWEGS MIT DEM RAD Die etwas anderen Fahrräder Xanten. Fahrradfahren ist wie… nun ja, eben wie Fahrradfahren. Das verlernt man nicht! Manchmal aber ist das Leben nicht so einfach, manchmal sind solche Weisheiten nicht besonders weise. Das weiß wohl kaum einer so gut wie Wolfgang Reineke. Denn er, der schon immer mit dem Drahtesel unterwegs war, der in der dritten Generation von Zweiradmechanikermeistern einen eigenen Fahrradladen hatte, wurde bei einem Autounfall schwer verletzt. Zig Knochenbrüche und eine Diagnose: Laufen wird er wohl nie wieder können… und Fahrradfahren? SchwieBei Roll-tech in Xanten können Kundinnen und Kunden ihr Rad individuell bauen oder anpassen lassen. Denn Wolfgang Reineke weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig ein solches Angebot ist Lars Reineke führt seit 2021 gemeinsam mit seinem Vater Wolfgang Reineke das Fahrrad-geschäft Roll-tech in Xanten. rig. Zwei Jahre lag er im Krankenhaus, überstand mehrere Operationen, und schmiedete einen Plan: Irgendwann muss er doch zumindest wieder radeln können! Wenn er hinterm Sattel einfach den Teil absägen und dort dann zwei Räder anbauen würde, das könnte doch funktionieren… Und tatsächlich, schon bald baute er in seiner Xantener Werkstatt eines der ersten Dreiräder für Erwachsene. Mehr als 30 Jahre ist das nun her. Wolfgang Reineke kann mittlerweile wieder laufen, ein Glück, und auch wieder VON SARA SCHURMANN (TEXT) UND KAI KITSCHENBERG (FOTOS) radeln. Doch das Thema, Fahrräder für Menschen mit körperlichen Einschränkungen, hat ihn seitdem nicht mehr losgelassen. Denn jeder Mensch ist anders, aber jeder möchte doch mobil sein. Deshalb bietet er in seinem Laden bis heute Fahrräder an, die auf die jeweiligen Bedürfnisse angepasst sind. Einige stellen er und seine Mitarbeiter noch immer selbst her, die meisten aber kaufen sie an und bauen sie dann je nach Wunsch um. Denn der Markt hat sich verändert, die Nachfrage nach dem „etwas anderen Fahrrad“ ist gewachsen, und darauf haben viele Firmen mit einer breiten Produktpalette reagiert. Dennoch geht’s bei Roll-tech um so viel mehr als um den Verkauf, betont Sohn Lars Reineke. Er ist 2021 in die Geschäftsführung miteingestiegen, nach der Ausbildung zum Zweiradmechatroniker – achja, einen Betriebswirt und ein Maschinenbaustudium hat er gleich noch drangehängt. Kleines Hilfsmittelchen Klar, Lars Reineke könnte auch einen anderen Berufsweg einschlagen. „Aber dazu macht es mir hier viel zu viel Spaß“, sagt er. In welcher anderen Fahrradwerkstatt dürfen die Mitarbeitenden denn sonst noch selbst das Schweißgerät benutzen? „Bei uns gehört das dazu.“

UNTERWEGS MIT DEM RAD 13 Die Mitarbeiter bauen Fahrräder oder passen sie individuell an, so wie dieses hier für einen kleinwüchsigen Menschen. Der Kurbelkürzer hat schon für so manches Aha-Erlebnis gesorgt. Zum Wunschrad Das Fahrradgeschäft Roll-tech, Bruchweg 26a in Xanten, hat montags, dienstags, donnerstags und freitags von 9.30 bis 12.30 Uhr sowie von 15 bis 18 Uhr geöffnet. Samstags ist von 11 bis 14 Uhr geöffnet. Übrigens, Roll-tech bildet auch aus – in der Werkstatt, im Verkauf und im Büro. Kontakt: 02801/983930 oder per E-Mail an info@roll-tech.de Langweilig wird’s bei ihnen also nie, das kann er versichern. Weil sie auf jeden einzelnen Sonderwunsch eingehen, das erfordert natürlich auch schon mal etwas Kreativität. „Hier zum Beispiel“, er zeigt auf ein Exemplar, das gerade in der Werkstatt hängt, „man könnte meinen, das wäre ein ganz normales Klapprad.“ Ist es nicht? Er schüttelt den Kopf. „Die Rahmengröße liegt bei 32 Zentimetern, damit eignet es sich beispielsweise gut für einen 1,40 Meter großen Menschen.“ Um die Ecke zu denken, gehört bei ihnen eben dazu. Manchmal braucht es dafür aber nicht gleich ein neues Fahrrad, sondern nur ein kleines Hilfsmittelchen… „Das ist ein Kurbelverkürzer“, erklärt Lars Reineke, während er die Pedale des Klapprads abmontiert und den Verkürzer auf die Kurbel setzt. „Den brauchen wir jeden Tag bestimmt zwei bis drei Mal.“ Denn dadurch reduziert sich beim Treten der Bewegungsradius, ein Vorteil besonders bei Knie- oder Hüftproblemen. „Damit macht vielen das Radfahren plötzlich wieder Spaß“, sagt er. Bei einigen geht’s um eine schöne Freizeitbeschäftigung, bei anderen dagegen um echte Lebensqualität. Denn so wie einst sein Vater nicht mehr laufen konnte, sind auch viele Kundinnen und Kunden mobil eingeschränkt. Klar, so ein Dreirad sieht vielleicht erstmal komisch aus, aber wer sich einmal drauf gesetzt hat, merkt schnell: Der tiefe Sitz ist richtig bequem und die drei Räder bieten einen großen Vorteil: „Ich kann nicht umfallen.“ Aber braucht es für die doch etwas seltsame Lenkung nicht etwas Übung? Eigenes Nummernschild Nee, das ist total intuitiv“, betont Lars Reineke. Tatsächlich lässt sich aber auch der Lenker individuell anpassen, beispielsweise in der Höhe versetzen, damit Menschen ohne Arme ihr Rad mit den Schultern lenken können. Oder, wer selbst nicht treten kann, bekommt ein selbstfahrendes Rad. Das braucht dann zwar bei über 6 km/h eine Tüv-Zulassung, aber auch darum kümmert sich Roll-tech. Ja, sie wissen eben Rad, Pardon, Rat… Das zeigt sich deutlich, wenn der Geschäftsführer die Modelle vorstellt. Und während er sich selbst auf ein Dreirad mit Elektromotor setzt, kommt ein älterer Herr am Laden vorbei. Interessiert hört er zu, während seine Tochter für ihn drinnen einen Beratungstermin vereinbart. Denn so ein Dreirad, das wäre für ihn doch vielleicht auch etwas!

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UNTERWEGS MIT DEM RAD 16 Radtouren mit Kind und Kegel sind im Frühjahr etwas Wunderbares. Denn wenn die Natur wieder erwacht, macht Bewegung an der frischen Luft besonders viel Spaß. Das Thema Sicherheit sollte dabei allerdings nicht zu kurz kommen. Welche Standards sollten die Räder erfüllen? Worauf ist beim Packen zu achten? Wie sollte die Kleidung beschaffen sein, und was zeichnet einen guten Fahrradhelm aus? Nachgefragt bei Christina Görtz, Pressesprecherin der Landesverkehrswacht NRW. VON CLAUDIA BRÜCK Bevor es wieder in den Sattel geht: Wie stellt man sicher, dass das Fahrrad nach der langen Winterpause verkehrstüchtig ist? Wer im Winter sein Fahrrad nicht genutzt hat, sollte vor der ersten Fahrt tatsächlich einige Sachen überprüfen. Dazu zählen der Luftdruck und die Beleuchtung. Aber auch ein genauer Blick auf den Zustand der Reifen schadet nicht, da poröse und abgefahrene Reifen ein Sicherheitsrisiko darstellen. Gecheckt werden sollte aber auch, ob die Bremsen und die Mit der ganzen Familie auf große Radtour gehen - was gibt es Schöneres? Das Thema Sicherheit sollte aber auf keinen Fall zu kurz kommen Sicher im Sa tel

17 Vor dem Start in die Saison sollte das Rad einem Sicherheits-Check unterzogen werden. Gangschaltung einwandfrei funktionieren, die Kette geölt ist und alle Schrauben fest angezogen sind. Wer unsicher ist, sollte, bevor es auf große Tour geht, den Check beim Experten durchführen lassen. Wechselkleidung, Proviant – bei einer Radtour kommt einiges zusammen, das transportiert werden will. Wie geht man da auf Nummer sicher? Hier gibt es diverse Möglichkeiten, vom Fahrradrucksack über die Lenkertasche bis hin zur Rahmen- oder Packtasche. Hier gilt es natürlich, die maximale Zulassung des Fahrrads zu beachten und schwere Dinge immer nach unten zu packen. Ab welchem Alter können Kinder eine Radtour gut bewältigen, was kann man für deren Sicherheit tun, und was ist bei der Streckenführung wichtig? Das kann nicht pauschal beantwortet werden, weil es ganz individuell vom Kind abhängig ist. Bei der Tourenplanung ist zu beachten, dass Kinder bis acht Jahren auf dem Bürgersteig fahren müssen. Sie können dabei von einer Person ab 16 Jahren begleitet werden. Dabei gilt, dass beide vor dem Überqueren einer Fahrbahn absteigen müssen. Zwischen dem 8. und dem 10. Lebensjahr dürfen Kinder noch auf dem Gehweg fahren, danach müssen sie auf der Straße oder – falls vorhanden – auf dem Radweg fahren. Wenn von der Straße separierte Fahrradwege vorhanden sind, dürfen diese auch von Kindern unter acht Jahren genutzt werden. Wer eine große Tour mit Kindern plant, sollte erstmal mit kleineren Strecken starten und schauen: Wie fit ist mein Kind? Und das sowohl mit Blick auf die Verkehrssicherheit als auch auf die körperliche Fitness. Verkehrsarme Strecken mit gut ausgebauten Fahrradwegen bieten sich so oder so an. Wenn kleinere Kinder mitfahren sollen, kann auch über einen Fahrradanhänger oder ein Lastenrad nachgedacht werden. Auch hier gilt: Kinder immer anschnallen und einen Helm aufsetzen. Worauf ist in puncto Helm und Kleidung zu achten? Das Tragen eines Helms ist keine Pflicht, aber dringend zu empfehlen. Hier sollten die Eltern gutes Vorbild sein. Wichtig ist, dass Helme die richtige Größe haben und richtig eingestellt sind. Ein Helm nützt nicht viel, wenn er auf dem Kopf nicht richtig sitzt. Experten empfehlen, dass der Helm alle drei bis fünf Jahre ausgetauscht wird. Wenn er schon Macken hat, sollte er schon früher ersetzt werden. Sollte die Tour erst am späten Abend enden, sind Reflektoren an Helm und auch Kleidung zusätzlich zu der Fahrradbeleuchtung und Speichenreflektoren ratsam. Und darüber hinaus? Ein letzter Rat: Alle, die ganz neu auf ein Pedelec oder ein Lastenrad umgestiegen sind, sollten nicht direkt die große Tour planen. Es bedarf einer gewissen Übung, um diese Varianten des Fahrrads gut zu beherrschen. Wir empfehlen allen Umsteigern auf ein Pedelec ein Training, das von lokalen Verkehrswachten oder der Polizei angeboten wird. Fotos: Adobe Stock

UNTERWEGS MIT DEM RAD Über Gleise und Grenzen Kranenburg. Der erste Versuch ist ins Wasser gefallen, buchstäblich, aber egal, dann geht’s eben eine Woche später ein zweites Mal nach Kranenburg, bei besserem Wetter und noch besserer Laune! Denn was gibt’s schon Schöneres, als eine Fahrt mit der Draisine? Okay, zugegeben, Geschäftsführer Gerd Scholten muss vorher nochmal kurz erklären, was genau das ist: „Anfang der 1990er Jahre wurde die Bahnstrecke Kranenburg – Groesbeek – Kleve zugemacht. Falls es aber zu mal einer Reaktivierung Die Bahnstrecke zwischen Kranenburg – Groesbeek – Kleve ist seit vielen Jahren stillgelegt. Mit der Draisine geht’s radelnd über die alten Schienen Redakteurin Sara Schurmann und Sami Mitwalli waren mit der Grenzland-Draisine unterwegs. der Strecke kommen sollte, muss die Trasse weiter erhalten werden.“ Die Idee zur Grenzland-Draisine war geboren. Und bevor er lang beschreibt, wie ein solches Gefährt aussieht und funktioniert, führt er es lieber gleich mal vor. „Es gibt die Clubdraisine für neun bis 14 Personen“, erklärt Gerd Scholten, „und die Fahrraddraisine für zwei bis vier Personen.“ Letztere steht im Bahnhof schon bereit… bitte Platz nehmen! Aber natürlich nicht auf der VON SARA SCHURMANN (TEXT) UND ARNULF STOFFEL (FOTOS) knallgelben Sitzbank, sondern auf den roten Fahrrädern. Noch schnell die Sattelhöhe einstellen… Passt? Passt! Dann kann es ja losgehen, oder? Fast. „Man muss sich darüber im Klaren sein, dass man am Straßenverkehr teilnimmt“, betont er. Das heißt: „An Stopp- und Vorfahrtsschildern anhalten.“ Außerdem gibt’s noch einige Schranken, die für den „zusätzlichen Pfiff“ sorgen, wie er sagt. Denn die müssen die Fahrenden selbst hochheben, aber keine Sorge, „das ist ist kein Hexenwerk“, versichert er. Na denn.

19 UNTERWEGS MIT DEM RAD Hinter uns ertönt noch ein „Tschüss und viel Spaß“, das für den ersten Anschub sorgt, dann sausen wir auch schon geschwind über die Schienen. Wir treten und treten und treten in die Pedale, sind dabei viel schneller als gedacht, und treten weiter… „Das ist wie Fahrradfahren im zweiten Gang“, hat Gerd Scholten gesagt. Ja, genau so ist es, können wir nach den ersten Minuten bestätigen. Aber wir möchten ja keinen neuen Rekord aufstellen – 45 Minuten sind für die Strecke zwischen Kranenburg und Groesbeek eingeplant – sondern die Fahrt, den Ausblick, den Moment genießen. Deshalb lieber mal einen Gang runterschalten, allerdings nur den mentalen. Denn eine Gangschaltung hat die Draisine nicht. Dafür aber einen Lenker, auf dem es sich bequem abstützen lässt. Ach, das ist doch herrlich! Das Wetter meint es immer noch gut mit uns, „bei Regen wäre es wirklich nicht so schön“, sind wir uns einig, und die Natur präsentiert sich von ihrer frühlingshaften Seite. Überall blüht und sprießt es… da muss der Allergiker jetzt leider durch, bis er an der ersten Schranke schnell eine Tablette einwerfen kann. Da stehen wir nun, die Bremse ist eingerastet, und überlegen, wie wir taktisch am besten vorgehen. Am zweiten Übergang haben wir es dann raus: Erst die Schranke hochheben, dann den Ampelknopf drücken – sonst ist es zu schnell wieder rot – und zuletzt zügig die Straße überqueren. Geschafft! Wir strampeln weiter, jetzt doch mit etwas mehr Schmackes, denn auch am platten Niederrhein gibt’s durchaus, nee, keine Berge, aber Hügelchen. Es rattert durchgehend, es klackert zwischendurch… so eine Draisine ist nicht gerade leise! Aber die vorbeikommenden Spaziergänger, Fahrradfahrerinnen und Inlineskater scheint es nicht zu stören, ganz im Gegenteil. Alle lächeln uns an – und wir lächeln zurück. Nach einiger Zeit fahren wir unter einem Bogen durch, auf dem uns ein Schild mit „Welkom in Nederland“ begrüßt. Plötzlich wird es richtig hell und wir hören einen uns entgegenkommenden Radfahrer brummen: „Ist ja klar, dass die Sonne in Deutschland nicht mehr scheint.“ Zum Glück sind wir jetzt aber erstmal auf der anderen Ankunft in Groesbeek - jetzt gibt’s erstmal ein Eis, bevor es wieder zurück nach Kranenburg geht. Seite und bald auch in Groesbeek angekommen. Dort empfängt uns eine Mitarbeiterin freundlich, „bis spätestens 17 Uhr müssen Sie wieder hier sein“, sagt sie noch, dann sind wir schon auf der Suche nach einer Eisdiele. Die drei Kugeln vom „Ijssalon Passione“ haben wir uns jetzt wirklich verdient. Lecker! Und wo wir schon mal hier sind… springen wir noch schnell bei Albert Hejin rein, um etwas Käse und Vla zu kaufen. Mit vollem Rucksack geht’s zurück zur Station, wo die Mitarbeiterin die Draisine geschickt für uns umdreht. Und dann sitzen wir auch schon wieder auf dem Sattel, treten in die Pedale und sausen zurück nach Kranenburg. Was gibt’s schon Schöneres! Grenzenloses Erlebnis Die Saison geht vom 1. April bis zum 31. Oktober. Die verschiedenen Touren sind dienstags bis sonntags buchbar, in den Schulferien und an Feiertagen auch montags. „Die Ausgiebige“ ist circa 10 Kilometer lang und führt vom Bahnhof Kranenburg bis zum Spoykanal in Kleve. Abfahrt Kranenburg: 9 Uhr und 13 Uhr, Abfahrt Kleve: 11 Uhr und 15 Uhr. „Die Grenzenlose“ ist rund 5,5 Kilometer lang und verläuft zwischen Kranenburg und Groesbeek. Abfahrt Groesbeek: 9.30 Uhr und 13 Uhr, Abfahrt Kranenburg: 11 Uhr und 15 Uhr. Die Preise liegen montags bis donnerstags bei 13 Euro, freitags bis sonntags bei 16 Euro. Weitere Infos, auch zu weiteren Kombiangeboten: www.grenzland-draisine.eu Für die Streckenpflege sind übrigens Schafe zuständig - sie sind regelmäßig auf den alten Schienen unterwegs, um das Unkraut wegzumampfen.

20 Selbst schrauben oder schrauben lassen Duisburg. Ganz schön friemelig! Achim Wolfrum nickt. „Das klappt auch nicht immer sofort“, sagt er. Um Bremsbeläge wechseln zu können, braucht es eben etwas Geschick und viel Ruhe… Beides hat er zum Glück, deshalb hat er es kurz darauf auch endlich geschafft! „Ich bin mittlerweile ein halber Fahrradmechaniker“, erklärt er stolz. Einige Sachen hat er sich selbst beigebracht, andere Dinge hat er bei Reborad gelernt. Immerhin ist er dabei, seit das Projekt des Duisburger Vereins Regenbogen im Jahr 2016 gestartet ist. Die Idee dazu hatte Frank Richter, Geschäftsleiter für den Bereich Arbeit und Tagesstruktur. „Bei uns sind Menschen mit Psychiatrieerfahrung, die nicht auf dem normalen Arbeitsmarkt zurechtkommen“, erklärt er. Und doch ist gerade für sie Arbeit wichtig – „wenn sie vernünftig strukturiert ist“, fügt er Bei Reborad in Duisburg reparieren Menschen mit Psychiatrieerfahrung Räder. Und wer selbst tüfteln möchte, kann montagabends in die Werkstatt strukturierenden Angeboten“, so der Fachbegriff, wählen. Die einen arbeiten gern in der Holzwerkstatt, die anderen im Secondhandladen – und dann gibt’s eben Menschen wie Achim Wolfrum, die am liebsten tüfteln und flicken und basteln… kurz, alles erledigen, was am VON SARA SCHURMANN (TEXT) UND KAI KITSCHENBERG (FOTOS) hinzu. Denn dadurch haben sie einen beständigen Tagesablauf, haben eine richtige Aufgabe „und sie sind Teil der Gesellschaft“. Ja, die soziale Teilhabe ist nicht zu unterschätzen, betont er. Deshalb können die Klientinnen und Klienten aus verschiedenen „tages-

21 UNTERWEGS MIT DEM RAD Fahrrad eben so anfällt. 2016 ist die Fahrradwerkstatt auf der Erlenstraße gestartet, 2020 ist sie in größere Räume auf die Wanheimer Straße umgezogen. Das hatte gleich zwei Gründe, wie Frank Richter erklärt: „Die Nachfrage nach arbeitsnaher Beschäftigung ist gestiegen, aber genauso auch die Nachfrage nach Fahrradreparaturen.“ Sichtbar im Stadtteil Klar, in der Pandemie hat das Radeln einen regelrechten Boom erlebt. Aber der alte Drahtesel, der sich jahrelang in der Garage versteckt hatte, musste erstmal wieder fit gemacht werden. Nun lohnt sich für viele Fachgeschäfte nicht jede Reparatur, weiß Frank Richter: „Wir nehmen aber jedes Rad an.“ Gut, bei manchen steht zwar wirklich die Frage im Raum, ob sich eine neue Kette oder ein neues Tretlager lohnt, sein“, hält Frank Richter fest. Denn alle Menschen, ob mit oder ohne Psychiatrieerfahrung, ob mit oder ohne Behinderung, sind Teil der Gesellschaft. Um noch mehr „mittendrin“ zu sein, wie er es ausdrückt, gibt’s seit Neustem übrigens ein weiteres Angebot für den Stadtteil. Immer montags ab 17 Uhr stellt Reborad kostenlos die Werkstatt mit seinen Werkzeugen zur Verfügung, damit Interessierte selbst ihr Rad reparieren können. Ein Ehrenamtlicher hilft bei Fragen, aber, das ist ihm wichtig zu betonen: „Die Idee ist, dass man es wirklich selbst repariert.“ Und wenn’s doch nicht klappen sollte, dann das Fahrrad einfach am nächsten Morgen in der Werkstatt abgeben. Denn dort sind ja Experten, die es mit so ziemlich jeder Friemelarbeit aufnehmen können. Frank Richter (ob.) vom Verein Regenbogen hat die Fahrradwerkstatt Reboard ins Leben gerufen. Ein bisschen knifflig ist es manchmal schon... aber Achim Wolfrum (li.) macht das Tüfteln und Basteln viel Spaß. Reborad in Duisburg Die Fahrradwerkstatt Reborad, Wanheimer Straße 223 in Duisburg, hat montags bis freitags von 8 bis 16.30 Uhr geöffnet. Die Mitarbeitenden bereiten auch Spendenräder auf, die Interessierte im Laden kaufen können. Kontakt: 0203/3003659 oder reborad@regenbogen-duisburg.de aber prinzipiell hat jedes Rad bei ihnen noch eine Chance. Und wenn es besonders knifflig wird, kann Uwe Kloetzing aushelfen. Der Werkstattleiter macht gerade seinen Meister, kennt sich also aus in Sachen Fahrradreparatur, und darf ab August sogar ausbilden. Der erste Ausbildungsplatz ist bereits vergeben – an einen ehemaligen Klienten, der nun Zweiradmechaniker werden möchte. „Manche haben sich hier unglaublich entwickelt“, erzählt er. Aber auch für diejenigen, die lieber nur im Hintergrund die Fahrräder putzen möchten, gibt’s immer etwas zu tun. Denn ja, die Räume sind hell und offen, alle können sehen, wer gerade in der Werkstatt arbeitet. Das ist nicht für jeden und jede etwas, aber dennoch bewusst so gewählt. „Wir wollen sichtbar

22 UNTERWEGS MIT DEM RAD Hoch zu Rad Schermbeck. Dort drüben, also da oben, sitzt doch jemand in luftiger Höhe und tritt fröhlich in die Pedale! Ja, Christoph Dorr kennt die ungläubigen Blicke, wenn er mit seinem Hochrad unterwegs ist. Besonders die jungen Menschen, die „coolen Kiddies“, wie er sie nennt, rufen ihm dann auch schon mal begeistert hinterher. Nur um sich im nächsten Moment zu wundern: „Wo ist denn der Akku?“ Aber nee, hier läuft nix elektrisch, denn hier fährt der Vorgänger vom Sicherheitsniederrad, auch bekannt als… Fahrrad. Und das hat es dem 61-Jährigen angetan, so sehr sogar, dass er sich sein eigenes Exemplar gebaut hat. Wie es dazu gekommen ist? „Das ist eine lange Geschichte.“ Denn das Radfahren und die Radtechnik begleiten ihn „schon seit Ewigkeiten“, wie Christoph Dorr sagt. Früher hat er viele Rennen bestritten – den Ötztaler Radmarathon hat er mehrmals geschafft, das 24-Stunden-Rennen auf Wenn Christoph Dorr mit seinem Rad unterwegs ist, dann ist er schon von Weitem zu sehen. Der Schermbecker hat sich sein eigenes Hochrad gebaut dem Nürburgrennen hat er gleich drei Mal durchgestanden – bis ihm 2009 eine schwere Krankheit dazwischen kam. „Mit dem Leistungssport war es dann vorbei“, erzählt er. Nicht gerade leicht für jemanden, den sogar der Arzt als „Adrenalinjunkie“ bezeichnet. Also musste ein neues Hobby, eine neue Herausforderung für ihn her. Und weil er sich schon immer für außergewöhnliche Räder interessiert hatte, stieß er schon bald auf die Hochradfahrschule in Mönchengladbach. Entschleunigungstherapie für Adrenalinjunkies „Aber wie es der Zufall manchmal will“, erklärt Christoph Dorr, „recherchiert man weiter und weiter...“ Und plötzlich findet man im Internet schon vor dem Kurs jemanden, der Hochräder hobbymäßig baut und verkauft. Da musste er einfach zuschlagen, denn sonst kommen die meisten Nachbauten aus Tschechien „und sind unbezahlbar“. Damit besaß er nun sein erstes Hochrad, das er natürlich sofort mal ausprobieren wollte. Allerdings ist das gerade am Anfang nicht gerade einfach… Am besten führt er es gleich mal vor. „Das sind die Aufstiegshilfen“, erklärt er und zeigt auf die waagerechten Metallstreben am kleinen Hinterrad. Darauf stellt er sich nun, hält sich am Lenker fest und lässt sich nach vorne rollen. Das kann schon etwas wackeln, aber keine Sorge, wer geduldig ist, bekommt ein Gefühl fürs Gefährt. „Das Hochradfahren ist sozusagen eine Entschleunigungstherapie für Adrenalinjunkies“, erzählt Christoph Dorr und lacht. Perfekt also für ihn! Und so setzt er sich nun auf den Sattel, der wirklich weit oben ist! „Das Rad hat 52 Zoll“, sagt Christoph Dorr, „und ist damit über 1,35 Meter hoch.“ Als Maschinenbauingenieur konnte Christoph Dorr detaillierte Bauzeichnungen für sein eigenes Hochrad anfertigen. VON SARA SCHURMANN (TEXT) UND RALF ROTTMANN (FOTOS)

23 UNTERWEGS MIT DEM RAD Links: gekauft, rechts: gebaut. Im vergangenen Jahr hat Christoph Dorr mit seinem Hochrad insgesamt 2300 Kilometer zurückgelegt. Von dort hat er einen weiten Blick, kann über Maisfelder und Zäune schauen, und das ist doch herrlich, findet er: „Das ist wie bei Reitern oder Lkw-Fahrern: Hochsitzen ist einfach etwas Tolles!“ Aber, das betont er auch: „Wenn man nicht aufpasst und runterfällt, kann es auch richtig, richtig wehtun.“ Aufpassen, sonst wird’s gefährlich! Gerade auf Schotterwegen kam es früher, in der Hochzeit des Hochrads – also zwischen 1870 und 1892 –, immer wieder zu gefährlichen Kopfstürzen. Denn klar, sich mit den Füßen auf dem Boden abzufangen, das geht eben nicht. Deshalb der Tipp vom Experten: „Man muss immer aufpassen und vorausschauend fahren, gerade in Ortschaften, wirklich geeignet sind aber eigentlich nur verkehrsarme Wirtschaftswege.“ Gleichzeitig bringt die Aufmerksamkeit einen weiteren Vorteil mit sich: „Dadurch erlebt man alles viel intensiver.“ Das ist auch der Grund, weshalb er mit dem Hochradfahren nicht mehr aufhören kann, ja, fast ist es schon zu einer „Sucht“ geworden, gibt er zu. Ärgerlich nur, dass sein erstes Hochrad nach 500 Kilometern schlapp machte. Zwar konnte er es wieder reparieren, aber für Langstrecken war es einfach nicht geeignet. Nun kam dem Maschinenbauingenieur eine Idee: Er könnte doch sein eigenes Hochrad bauen! Zwei Jahre lang tüftelte er, ließ sich von anderen Modellen inspirieren und optimierte bestimmte Funktionen. Die Aufstiegshilfen beispielsweise plante er unterschiedlich hoch, „dadurch kommt man bequemer rauf“. Ein befreundeter Schlosser schweißte und lötete alles nach seinen detaillierten Zeichnungen, sodass er 2020, „an Karfreitag“, weiß er noch, zum ersten Mal auf seinem Eigenbau sitzen konnte. „Das war ein tolles Gefühl“, erinnert er sich. Denn das Fahren ist nun weniger wackelig, macht noch mehr Spaß. Und damit er nicht immer alleine radeln muss, kaufte er gleich noch ein drittes Hochrad – für seinen Neffen, der ihn seitdem regelmäßig auf seinen Touren begleitet. „Wenn man fährt, ist man einfach zufrieden“, hält er fest. Deshalb dreht er gleich nochmal eine kleine Runde und lüpft dabei galant seinen Hut. Tschüss!

24 UNTERWEGS MIT DEM RAD Die Tour de France am Niederrhein Neben seiner Teilnahme an der Tour de France kann Sven Teutenberg noch einen weiteren Erfolg verbuchen: Im Jahr 2017 holte er den Grand Départ, den Start der Tour de France, nach Düsseldorf. Zwölf Jahre lang war er maßgeblich an der Planung und Organisation beteiligt. Eine stressige Zeit, sagt er heute, aber es hat sich gelohnt: „Das war das zweitschönste Erlebnis in meiner Karriere.“ Der Traum von der Tour de France Düsseldorf. Als kleiner Junge hatte Sven Teutenberg einen großen Traum: Einmal wollte er an der Tour de France teilnehmen, einmal wollte er die Ehrenrunde auf der Champs-Élysées drehen… Und selbst heute noch, mit seinen 51 Jahren, ist ihm die Begeisterung fürs Rennradfahren deutlich anzumerken. „Das ist Teil meines Lebens, weil ich es mache, seit ich sechs Jahre alt bin.“ Moment mal, so lange schon? Er nickt. „Mein Vater hat damals aus gesundheitlichen Gründen mit dem Radsport angefangen.“ Die Kinder, er mit seinem Bruder und seiner Schwester, fuhren oft mit, „mit dem Drei-Gänge-Rad“, fügt er hinzu. Tja, und dann sahen sie diesen berühmten, irgendwie verrückten, Wettbewerb im Fernsehen. „Da wollte ich auch Rennen fahren“, erinnert er sich. Radfahren war doch sowieso ein cooleres Hobby als Fußballspielen! 3453 Kilometer in drei Wochen Wenn Sven Teutenberg von seinen Anfängen erzählt, klingt alles kinderleicht. War es damals auch, sagt er, „weil es viel mehr Sportveranstaltungen für Kinder gab.“ Daran nahm er teil, fuhr immer mehr Rennen, wechselte von einer Altersklasse in die nächste. „Da kommt man rein“, sagt er. Eines Tages las er dann ein Buch von einem Sportler, der so sehr von der Tour de France schwärmte, dass für ihn feststand: Das wollte er auch mal erleben! Bis dahin sollten aber noch einige Jahre vergehen. Im Regal steht der Pokal, den holt er mal eben, „das war mein erstes WeltcupSven Teutenberg wollte einmal an der Tour de France teilnehmen. Das hat er geschafft, mehr noch, er holte das Radrennen auch nach Düsseldorf Heute führt Sven Teutenberg das „La Bici“ in Düsseldorf. VON SARA SCHURMANN (TEXT) UND ANDREAS BUCK (FOTOS)

25 UNTERWEGS MIT DEM RAD Etappenrennen, das ich nach einer Woche mit 40 Hundertsteln Vorsprung gewonnen habe.“ Manchmal kommt es tatsächlich auf Millisekunden an. So wie eben beim Circuit Franco-Belge im Jahr 1933. „Danach war ich dann Profi.“ Und ja, es ist wunderbar, wenn ein Hobby zum Beruf wird, „dass man dafür bezahlt wird, um die Welt zu reisen“, sagt Sven Teutenberg. Aber zur Wahrheit gehören auch ungemütlicher Schneeregen, schmerzhafte Stürze oder frustrierende Ergebnisse. Dennoch, gezweifelt hat er nie, weiterfahren wollte er immer. Denn er hatte ja immer noch den großen Traum… Im Jahr 2001 war es schließlich so weit, er durfte endlich, endlich an der Tour de France teilnehmen. Aber war es wirklich so beeindruckend, wie er es sich als kleiner Junge vorgestellt hatte? Ja! Mit 188 anderen Rennfahrern ging er an den Start, war rund drei Wochen lang unterwegs, legte 3453 Kilometer zurück… und fuhr als einer von 144 Teilnehmern, genauer gesagt als 81., ins Ziel ein. Was für ein Erfolg! „Damit ist mein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen“, hält er fest klärt er. Er berät andere Radbegeisterte, fragt nach ihren Wünschen: Wofür soll das Fahrrad sein? Für lange Strecken durch die Natur? Mit oder ohne Gepäck? Oder doch eher für kurze Touren durch die Stadt? „Dann stellen wir die Räder individuell zusammen“, sagt er. Es gibt auch eine Hausmarke, die „La Bici“-Räder, die in der kleinen Werkstatt entstehen. Die Rahmen designt und testet er selbst, aber auch das Aussehen spielt eine nicht ganz unwichtige Rolle. Deshalb also das lila-türkisfarbene Rad mit goldenem Schriftzug? Er nickt. „Gut, das ist speziell. Aber wenn das Rad einen zuhause schon anlacht, sitzt man auch öfter drauf“, ist er überzeugt. Wie oft er selbst noch unterwegs ist? Sven Teutenberg überlegt kurz. „Früher waren es 40.000 Kilometer im Jahr, heute sind es 10.000 Kilometer.“ Weil ihm immer noch das Radfahren einfach Spaß macht. Und ja, auch die Faszination für die Tour de France hat er nie verloren, deshalb fährt er jedes Jahr dorthin. Wenn er dann mit vielen anderen Menschen am Straßenrand steht, den Hubschrauber in der Luft hört und auf die Rennfahrer wartet, dann packt ihn jedes Mal wieder dieser Nervenkitzel… Im Jahr 2001 ist für Sven Teutenberg ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen: Er nahm an der Tour de France teil. Achja, hinter dem Pokal steht sogar noch ein etwas angestaubtes Bild, einmal kurz pusten, dann zeigt er stolz, wie er einst die Ehrenrunde auf der Champs-Élysées gedreht ist. Besonders erschöpft sieht er auf dem Foto nicht aus, und das, obwohl er als Sprinter sogar Vierter der Etappe geworden ist… „Wenn Millionen Menschen am Straßenrand stehen, hat man einfach nur Gänsehaut“, erklärt Sven Teutenberg, „das ist so überwältigend, dass man – obwohl man müde und kaputt ist – in drei Wochen nochmal fahren würde.“ Ist er aber nicht, dafür hat er fünf Mal das spanische und ein Mal das italienische Etappenrennen bestritten, ist darüber hinaus aber auch noch viele weitere Rennen gefahren. Aber eines stand von Anfang an fest: „Als Radrennfahrer weißt du, dass den Sport nicht machen kannst, bis du alt bist.“ „La Bici“ in Düsseldorf Deshalb eröffnet Sven Teutenberg bereits im Jahr 2002, sieben Jahre vor seinem endgültigen Karriereende, sein Fahrradgeschäft „La Bici“ in Düsseldorf. „Dadurch bin ich nicht in ein Loch gefallen, weil mir die Arbeit hier ebenfalls großen Spaß bereitet“, er-

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