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13 BERLINER ORIGINALE Einen Kleingarten, in dem sie deut- lich mehr Anbaufläche hätte, will sie gar nicht: „Ich bin höchst zufrieden mit meinem Balkon. Ich habe keinen Fahrtweg und keinen Laufweg und gucke ständig in Augenhöhe auf das Leben, ich sehe Vögel, Eichhörnchen, Wildbienen“, sagt Schattling. Ihr gehe es darum, mit der Natur zu gärtnern und ein Ökosystem zu- stande zu bringen, auch wenn es ein kleines ist. „Beim Biogärtnern gehört es dazu, dass der Boden gemulcht ist, trockene Blätter, trockener Rasenab- schnitt draufliegt, damit weniger Was- ser verdunstet und das Bodenleben in den Töpfen geschützt ist“, betont sie. Wichtig sei auch, dass nicht alles auf- geräumt sei. „Es ist für viele schwierig, das zu ertragen, weil man etwa weiße Fliesen hat, weil man alles picobello hat. Aber in der Natur ist nicht alles picobello“, so die Balkongärtnerin. Berliner Balkonfläche insgesamt größer als Tempelhofer Feld Sie hat sich inzwischen einen Namen gemacht. „Birgit Schattling ist ein Bal- kon-Ultra“, beschreibt Stadtgrün-Re- ferentin Janna Einöder vom Berliner Naturschutzbund (Nabu) die Balkon- gärtnerin. Aus ihrer Sicht sind Balko- ne wie die von Birgit Schattling ökolo- gisch wertvoll. „Doch nicht jeder muss eine Birgit Schattling sein“, sagt Ein- öder. Man könne das Balkongärtnern auch im kleineren Maßstab betreiben, zum Beispiel mit Küchenkräutern. „Wenn viele kleine Flächen genutzt werden, ergibt das ein Mosaik in der ganzen Stadt“, sagt die Expertin. Und das komme zahlreichen Arten zugute, zum Beispiel Wildbienen, die einen Flugradius von nur wenigen Hundert Metern haben. Riesige Nachfrage nach bepflanzten Balkonen Das Potenzial sei aus Naturschutzsicht noch längst nicht ausgenutzt. „Berlin hat etwa 1,6 Millionen Wohnungen mit einer Balkonfläche, die größer ist als das Tempelhofer Feld“, so die Ex- pertin. Viele Balkone würden leider mit Pflanzen wie Petunien oder Ge- ranien begrünt, die für Insekten nicht nützlich und oft auch noch mit Pestizi- den belastet seien. Mehrjährige Stauden oder auch Wild- blumen seien viel geeigneter, erklärt Einöder. Der Nabu hat Pflanzlisten veröffentlicht. Passend zur jeweiligen Ausrichtung eines Balkons werden passende Arten empfohlen. Die Nachfrage nach einem schön ge- stalteten Balkon sei in Berlin riesig und könne durch die Anbieter kaum be- dient werden, sagt der Berliner Balkon- und Dachterrassengestalter Tobias Peterson. „In einer stark verdichteten Stadt wie Berlin ist die Sehnsucht nach Natur groß. Das erlebe ich täglich bei meiner Arbeit“, erklärt der Gärtner und Buchautor. Er könne sich mittlerweile die Rosinen herauspicken und meint damit unter anderem besonders an- spruchsvolle Lagen oder auch Kunden. „Manche wollen einen südländischen Balkon, haben aber eine hundertpro- zentige Schattenlage“, so Peterson. Seit 20 Jahren gestaltet und pflegt Pe- terson Balkone und Terrassen. Neben dem Klima habe sich in der Zeit auch das Bewusstsein geändert: „Viele ach- ten inzwischen darauf, dass die Balko- ne insektenfreundlich gestaltet sind.“ Der Naturschutzbund sucht aktuell mit einem Wettbewerb ökologisch wertvol- le Balkons und Gärten. „Mein Raupen- reich“ heißt die Aktion, bei der die fal- terfreundlichsten Gärten, Balkons und Blumenkästen Berlins gesucht werden. Bis Ende August können Bewerber Fotos einreichen. Zu gewinnen gibt es unter anderem das Buch „Mein genia- ler Bio-Balkon“ von Birgit Schattling. Birgit Schattling, Deutschlands wohl bekannteste Balkongärtnerin, steht auf dem Balkon ihrer Wohnung. Foto: dpa Images | Jörg Carstensen
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