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6 BERLINER ORIGINALE Seinen Account auf Instagram be- spielt er selbst: „Ich möchte keine Ware sein, sondern machen, was ich will. Authentisch ist mir sehr wich- tig.“ Medial wurde seine Berghain-Ge- schichte oft aufgegriffen – so oft, dass es ihn fast schon stört: „Hinter Herr Krabbenhöft steckt mehr als nur diese eine Geschichte“, sagt Günther, der überall gerne tanzt. Im Sommer finde man ihn eher unter freiem Himmel und nicht in geschlossenen Räumen – zum Beispiel im Sisyphos oder im Ka- ter Blau. Aber auch auf Dachterrassen oder Festen ist er anzutreffen, „Haupt- sache die Musik stimmt.“ „House und Techno höre ich beson- ders gerne, da kann man nämlich seinem Tanz freien Lauf lassen. Diese ganze Mainstream-Radiomusik hört sich doch nur noch gleich an“, übt der Kreuzberger Kritik. Für ihn ist die Musik mehr als nur ein netter Wegbegleiter: „Ich denke nicht über Dinge nach, ich tanze über sie nach. Techno ist für mich eine Ener- giequelle und eine Möglichkeit den Kopf freizubekommen zugleich.“ Das Abtanzen ist aber nicht das einzige, was er mit seinen Followern teilen möchte. Seit 58 Jahren lebt Günther Krabbenhöft inzwischen in Berlin und hat viel Alltägliches beobachten kön- nen. Er betitelt seine Beziehung zur Hauptstadt sogar als Hassliebe. Andersartigkeit ist die Quelle zum Glück „Ich wünsche mir ganz viel Andersar- tigkeit, weil doch jeder irgendwie an- ders ist. Es macht Spaß hinzuschauen, wenn die Stadt und so auch der Alltag bunter sind. Seid vielfältig“, sagt der Berliner. Er schlendere gerne zu jeder Tages- und Nachtzeit durch seinen Kiez, sei es auf ein Stück Eierlikör- torte oder auf ein gutes Gespräch. Da- bei bleibe er selten unerkannt, selbst auf Reisen in Italien sei er manchmal ein Zuschauermagnet. „Wir sind alle Selbstdarsteller in unserem eigenen Leben. Wichtig ist es, keine Rolle zu spielen, sondern man selbst zu sein. Das ist die Quelle, um glücklich zu sein“, da ist sich Günther sicher. Im kommenden Jahr steht sein 80. Geburtstag an – das macht dem jung- gebliebenen Kreuzberger aber nichts aus: „Manchmal wundere ich mich darüber, was da in meinem Ausweis steht. Ich bin immer noch voller Neu- gier und habe viel vor.“ Obwohl er nicht raucht und Alkohol maximal in Kuchenform zu sich nimmt, hatte er vor fünf Jahren einen Infarkt. Kurz vor dem Einsetzen der Stents hatte er eine wichtige Botschaft an die Ärzte: „Ich habe ihnen gesagt, dass sie mir kein billiges Zeug einsetzen sollen. Es musste tauglich genug für das Berg- hain sein.“ Alles sei wie vorher, „auch wenn die Teile in mir sind.“ Auch interessant Günthers Formel, um jung zu bleiben „Ich bin kein Opa, der zu Hause da- rauf wartet, dass er besucht wird. Manchmal wache ich morgens auf und sage mir ‚Günther, fahr doch mal an die Ostsee‘ und das mache ich dann auch“, erzählt er mit einem brei- ten Grinsen im Gesicht. Um jung zu bleiben, müsse man auch mal positiv denken: „Ich miste in meinem Kopf auch mal aus. Warum sollte man sein Leben damit füllen über Ängste nach- zudenken, es ist kurz genug. Dafür habe ich keine Zeit.“ Man solle Ver- trauen in den Lauf der Dinge haben und auch im Chaos einen Funken Hoffnung bei sich tragen. Foto: Sergej Glanze / FFS Günther Krabbenhöft fühlt sich in Berlin-Kreuzberg in seinem Stamm-Café pudelwohl.
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