34 KOMMUNALWAHL man ursprünglich weder initiiert noch auf den Weg gebracht hat, wird da sicherlich gerne als erstes verdrängt. „Als Stadt sind wir auf der einen Seite am Ende der Nahrungskette der staatlichen Ebenen, auf der anderen Seite aber natürlich auch am nächsten an den Menschen dran. Das hat Vor- und Nachteile zugleich: Wenn der Bund Versprechungen macht, die am Ende die Kommunen einlösen müssen – also klassische Konnexität, wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen –, sollte das bitte auch funktionieren“, legt Schulz den Finger in die Wunde. „Denn das tut es eben nicht, und das ärgert einen oft. Aber das hilft ja nichts. Wir können es immer wieder nur neu ansprechen.“ Eine echte Sisyphos-Aufgabe: „Dabei habe ich natürlich das Gefühl, dass täglich das Murmeltier grüßt. Ich weiß nicht mehr, wie oft wir mit dem Bündnis für die Würde der Städte auf die Notwendigkeit der kommunalen Finanzierung hingewiesen haben. Ich kann nur feststellen: Es war eigentlich egal, wer in der Bundesregierung war. Dass es einen signifikanten Paradigmenwechsel in der Sichtweise auf die Kommunen gegeben hat, kann ich nicht feststellen. Da ist zum Teil auch heute noch sehr viel Unkenntnis und Unwissenheit unterwegs“, verfolgt er oft kopfschüttelnd die ignoranten Reaktionen von Kollegen aus weniger notleidenden Städten. Dabei sei es nun mal ein verfassungsrechtlicher Rang, dass in Deutschland die Lebensverhältnisse gleich sind und dafür auch die finanziellen Grundlagen geschaffen werden müssten. Aufgeben ist keine Option „Ja, das ärgert mich, übrigens auch permanent. Aber ich versuche, mich von diesem Ärger nicht paralysieren zu lassen. Man kann sich doch nicht wie ein Käfer auf den Rücken legen und mit den Gliedmaßen strampeln, sondern wir hören einfach nicht damit auf, unsere Interessen zu vertreten“, gibt sich der OB entschlossen. Dennoch müsse man trotz der himmelschreienden Ungerechtigkeit bei der kommunalen Finanzierung auch immer auf die eigene Verantwortung blicken. „Mit dem Bruch der Ampel hat sich die Tonalität erheblich verändert.“ Erik O. Schulz Oberbürgermeister in Hagen Schulz verfolgt durchaus mit Empathie, wie manche Amtskollegen zum Teil arg unter dem zunehmend aggressiven und forderndem Klima, das rund um den Job entsteht, leiden: „Ich bin daher unendlich dankbar, dass ich nicht zur Depression neige. Das ist ja auch ein Stück Glück. Ich bin weiter motiviert und gehe jeden Morgen gern zur Arbeit. Das Gefühl, morgens angesichts des Jobs einfach nicht mehr aus dem Bett steigen zu wollen, ist mir fremd“, formulierte der scheidende OB vor einigen Monaten im Interview. „Das hat in Hagen sicherlich auch ganz viel mit der Zusammenarbeit im Team zu tun. Daraus kann ich meine Energie ziehen.“ Ebenso aus den Rückmeldungen aus der Bürgerschaft, die keineswegs durchweg kritisch seien, sondern viele Menschen würden auch dankbare Signale senden: „Empathie und Verletzlichkeit ist in meiner Rolle keine Schwäche. Man muss auch Dinge an sich ranlassen, sich in andere hineinversetzen und sensibel für Signale sein.“ Der Anteil der Menschen, die konstruktiv unterwegs seien und für Argumente weiterhin offen sind, sei weiterhin hoch genug, um sich in Gesprächen intensiv auszutauschen. Sorge um die Tonalität „Mit dem Bruch der Ampel hat sich die Tonalität erheblich verändert“, blickte Schulz seinerzeit durchaus mit Sorge auf die Debattenkultur im sich zuspitzenden Bundestagswahlkampf. „Da nehme ich niemanden aus. Und das ist genau das, was auch ansonsten das Miteinander prägt. Das gefällt mir nicht. Denn die Tonalität im Umgang mit den Bürgern sollte auf einem Niveau gehalten werden, wo man in keiner Situation respektlos wird. Das ist zugleich ein Auftrag an das Amt des OB. Da hat man eine Vorbildfunktion. Ebenso gilt das für Verwaltung, für die Politik und die Medien. Das würde ich gerne auch für die Sozialen Medien so sehen, nur dort ist es eben ganz schwer zu steuern.“ Mit den Jahren hat sich ebenfalls die Urlaubskultur des Hagener Oberbürgermeisters verändert. Zunehmend genießt Erik O. Schulz gemeinsam mit seiner Frau Spaziergänge und Momente der Ruhe: „Die kontemplative Stille nimmt mehr Raum ein. Ich schlafe im Urlaub minimum acht Stunden, während ich früher gerne auch mal mit vier bis fünf Stunden ausgekommen bin. Auch an den Wochenenden gibt es zwischen Terminen Phasen mit Pausen, um den Akku aufzuladen.“ Und er schiebt noch einen Satz nach, der eben doch keine Politiker-Floskel sei: „Es ist eine ganz wichtige Stütze, dass meine Frau das Amt mitträgt. Das ist schon sehr hilfreich.“ Dennoch naht jetzt das Ende im Amt: „Mein Kopf hat gesagt, bes-
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