Journalismus mit Haltung: Gerlinde Sommer über Führung, Vielfalt und Zukunft der TLZ Gerlinde Sommer ist seit 2022 Chefredakteurin der Thüringischen Landeszeitung. Sie kennt die Zeitung seit 35 Jahren, war anfangs Redaktionsleiterin in Gotha, bevor sie 1998 als stellvertretende Chefredakteurin der TLZ nach Weimar wechselte. Wir fragen sie, warum sie nach der Wende nach Thüringen kam, warum Frauen im Journalismus wichtig sind und ob die TLZ mit 80 Jahren alt oder jung ist. Mit 59 Jahren Chefredakteurin zu werden, ist beeindruckend. Männer würde man fragen, ob das noch auf der Karriereliste stand? Wie war das bei Ihnen – war es ein Plan oder eher eine Überraschung, die sich mit der Zeit ergeben hat? Da haben Sie recht: Nach so langer Zeit war nicht unbedingt damit zu rechnen. Und Karrieren von Männern, die in den 1960ern geboren wurden, sind tatsächlich oft ganz anders verlaufen. Die Zahl der Chefredakteurinnen bei Regionalzeitungen ist immer noch überschaubar. Umso mehr freut es mich, dass ich in diesen durchaus fordernden Zeiten für diese Zeitung an dieser Stelle stehen darf. Es ist mir eine Ehre und eine Verpflichtung. Ein kurzer Blick zurück. Sie sind bereits wenige Monate nach dem Mauerfall nach Thüringen gekommen. Wie war das für Sie damals – ein prägender Schritt? Und wie wurden Sie in der Region und in der Redaktion aufgenommen? Ich bin am 17. März 1990 nach Gotha gekommen und habe da die Gothaer Tagespost redaktionsseitig gegründet. Entscheidend war für mich das Interesse an Land und Leuten. Es ist mir innerhalb kurzer Zeit gelungen, Menschen aus der Region für dieses Vorhaben zu begeistern – und binnen eines Jahres hatten wir als Lokalredaktion 5000 Abonnenten – und dass, obwohl es damals bis zu fünf Tageszeitungen im Kreis Gotha gab. Meine ersten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren vor allem junge Menschen, die nach dem Ende der DDR in den Journalismus wollten. Es war eine gute Ost-West-Mischung. In Gotha gab es von Anfang an eine Reihe von Menschen, die uns als neue Zeitung unterstützt haben und die unsere Arbeit zu schätzen wussten. Als wir dann Ende 1991 zur TLZ kamen und eine gemeinsame Redaktion entstand, war das ein weiterer Schritt für das Gedeihen dieser Zeitung. Zunächst hatte ich gesagt, ich bleibe zehn Jahre, weil ich die Entwicklung hierzulande miterleben und journalistisch begleiten wollte. 1998 bin ich dann stellvertretende Chefredakteurin geworden und nach Weimar umgezogen. Ich habe es nie bereut. Chefredakteurin Gerlinde Sommer vor dem 1:25-Modell des Gothaer Schloss Friedenstein im Miniaturenpark in Ruhla. Foto: Christiane Fischer 122
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