ERLFOGSWEGE | Unternehmerinnen aus Thüringen

24 Wissensvermittlung als lebenslange Passion Im Gespräch mit Ursula Wötzel – Deutschlands älteste Fluglehrerin kommt aus Thüringen Ursula Wötzel ist eine sprichwörtlich gestandene Frau. Die Leidenschaft der Jenaerin ist der Luftsport und die Vermittlung ihrer über Jahrzehnte gesammelten Erfahrungen in diesem Bereich. Dieses fundamentale, theoretische Wissen, gibt die rüstige Seniorin auch noch im hohen Alter gerne weiter. Doch wie kam sie eigentlich zum Luftsport – ist dieser doch bis heute männerdominiert. Nach dem Abitur absolvierte sie ein Studium am Institut für Lehrerbildung und erhielt die Lehrberechtigung als Unterstufenlehrerin und Heimerzieherin. Doch manchmal kommt es im Leben anders und es tun sich neue Wege und Ziele auf. „Am 1. Mai 1959 bin ich das erste Mal über den Freund meines Bruders mit einem Flugzeug in Berührung gekommen. Es war spannend und aufregend. Einen Tag später saß ich selber schon im Schulgleiter – einem SG 38 – machte die ersten Rutscher“, berichtet sie. Aus den Anfangsrutschern wurde eine Passion fürs Leben. Damals hätte keiner gedacht, dass sie einmal die älteste Fluglehrerin Deutschlands werden würde. „Die Welt von oben sehen, ist einfach einmalig“, betont sie. Es war keine einfache Zeit für weibliche Pilotinnen. Ursula musste sich Sprüche wie: „Wir brauchen keine Mädchen“ oder „Was willst du blindes Huhn denn hier?“ anhören. Doch sie bewies allen, besonders den männlichen Schlaumeiern, dass Frauen es können. 1964 flog sie bei einem Wettkampf als erste Frau in der DDR eine Strecke von 300 Kilometern und stellte damit den ersten DDR-Rekord für Frauen auf. Mit Stolz ergänzt Ursula: „Später stellte sich heraus, dass es sich sogar um einen Deutschland-Rekord handelte.“ Danach gab es weitere Luftsportveranstaltungen. „Zum Schluss blieben drei Frauen als beste Pilotinnen – Siegerinnen – übrig. Gemeinsam wurden wir der Männernationalmannschaft zugeordnet. Wir vertraten die DDR bei internationalen Meisterschaften, zeigten unser fliegerisches Können.“ Leider war hier die Lobby für die Frauen im Luftsport nicht so stark. Ab 1979 wurde es sehr schwierig für den Flugsport. Auf Grund von Fluchten über den Luftweg in den Westen gab es immer mehr Sanktionen. Die Jugendförderung wurde minimiert, Flugplätze geschlossen, es ging nur noch um die Ausbildung eines linientreuen Nachwuchses. „Mein Mann und ich bangten jedes Jahr der Überprüfung und der Genehmigung entgegen.“ Bis heute hat sich vieles im Luftsport geändert, immer wieder sind Frauen erfolgreich, doch im Vergleich zu den Männern sind sie immer noch unterrepräsentiert. Der Pilotinnenanteil liegt bei rund sieben Prozent. Nicht schön ist es, dass die sportlichen Erfolge von Frauen nicht gleich bewertet werden, wie die Leistungen der Männer. „Es muss immer jemand da sein, der aufsteht und es einfach macht, sich durchsetzt“, sagt Ursula Wötzel. Sie war ehrenamtliche Frauenbeauftragte beim DAeC, dem Dachverband deutscher Luftsportverbände, war im Präsidium des Luftsportverbandes Thüringen. In der Landessegelflugschule Thüringen e.V. gibt sie ihr Wissen weiter. Sie ist Fluglehrerin, Flugprüferin, Prüferin für die Funksprecherlaubnis und sie betont: „Eine ordentliche Ausbildung ist entscheidend. Und dazu gehört eine strukturierte Methodik. Nur so kann man sich den Umgang mit einem Flugzeug und das dazugehörige Wissen erarbeiten und abspeichern. Aus einem Fußgänger wird so ein sicherer Pilot“. Über die vielen Jahrzehnte hat sie ca. 150 Menschen das Fliegen beigebracht. Sie selbst hat rund 17.000 Starts und Landungen gemeistert, kommt auf mehr als 8.000 Stunden Gesamtflugzeit. Voller Stolz aber mit etwas Wehmut steht sie neben dem Vereinsflugzeug, einem Motorsegler SF 25 C-Falke. Derzeit gibt sie ihr Wissen an zwei Piloten weiter. Sie werden zu Motorfluglehrern ausgebildet, um mit der Fluglehrberechtigung das fliegerische Vermächtnis von Ursula Wötzel auf dem Verkehrslandeplatz Jena-Schöngleina weiterzuführen. Andreas Abendroth Foto: A. Abendroth

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