Kurze Fuffzehn #18

Historie 16 | Kurze fuffzehn 2024 2025 Vor drei Jahren hatten wir dazu aufgerufen, uns euer erstes Mal Hafenstraße für die kurze fuffzehn zu berichten. Heute schreibe ich über mein erstes Mal Hafenstraße. Es liegt 50 Jahre zurück. Es muss Anfang Juni 1975 gewesen sein. Vater kam abends von der Arbeit zurück. Er war Buchbinder in der Hauptzentrale der Sparkasse Essen. Drei Karten für die Haupttribüne des Georg-Melches-Stadions hatte er für das letzte Heimspiel der Bundesligasaison 1974/75 gegen Hertha BSC Berlin mitgebracht, Grundschulfreund Stefan kam mit. Mein erstes Mal Hafenstraße vor 50 Jahren Ein ganz persönlicher Rückblick unseres ehrenamtlichen Vereinshistorikers Georg Schrepper. ter neben guten Ratschlägen auch noch je - dem eine Dose eisgekühlte Fanta mitgegeben. Für Coca-Cola waren wir ihr als Neunjährige noch zu jung. Die Eingangskontrolle zur Haupttribüne an den Kassenhäuschen neben der Ostkurve ist mir bis heute in Erinnerung geblieben. „Die beiden Dosen müsst ihr austrinken oder hier in die Abfalltonne werfen“, hieß die Ansage. Die Dosen könnten schließlich von uns als Wurfgeschosse verwendet werden. Druckbe- tankung schon beim Einlass – leider nur mit 0,33 Liter Fanta – lernte ich da zum ersten Mal kennen. Im Stadion gab es für uns beiden dann doch noch eine Cola und RWE siegte ge- gen Hertha BSC Berlin mit 2:1. Erinnerungen Später ging ich dann allein oder mit Freunden zum RWE und hatte dort lange Jahre meinen Platz in der Westkurve. Mit Vater ging es noch einmal gemeinsam zu einem der Turniere in der Grugahalle. Kurz nach der Stadioneröff- nung 2012 war Vater als Ruheständler in die Sparkassen-Loge eingeladen worden. So lernte er die neue Heimspielstätte unserer Rot-Weis- sen und den dort mit RWE-Historie eingerich- teten Logenbereich seines ehemaligen Arbeit- gebers kennen. Abschied von der Hafenstraße Im Mai 2022 – fast 47 Jahre nach dem ersten gemeinsamen Stadionbesuch – waren Vater und ich noch einmal gemeinsam an der Ha- fenstraße. Nicht direkt im Stadion, sondern an der Rahn-Skulptur, die, wenn man sich alte Luftaufnahmen anschaut und diese über ak- tuelle Luftbilder legt, genau im Mittelkreis des abgerissenen Georg-Melches-Stadions steht. Vater war da schon todkrank, und es war ein Abschiednehmen von der Hafenstraße. Wir ka- men aus Richtung Stadtmitte über die Bottro- per Straße, und er erzählte, an welcher Stelle bei den Fronleichnamsprozessionen in seiner Jugendzeit die Altäre der einzelnen Stationen standen. Dann bogen wir in die Hafenstraße ein, hielten auf dem Parkplatz P2 – also eigent- lich im alten Stadion –, und ganz viele Erin- nerungen kamen bei ihm noch einmal hoch. Welche Spiele er in den 1950er Jahren gesehen hatte und wo man als Jugendlicher auch schon mal über den Zaun ins Stadion klettern konnte. Beim „Boss“ Helmut Rahn machten wir noch einmal ein gemeinsames Bild – es ist tatsäch- lich das letzte Bild, das uns gemeinsamzeigt. So schloss sich ein Kreis und ich bin dankbar für diesen intensiven Moment und denke zugleich immer wieder an den 7. Juni 1975 zurück. Mit Vater das erste Mal an der Hafenstraße – Bundesliga – 2:1 gegen Hertha BSC Berlin – Man- fred Burgsmüller und Dieter Bast als Torschützen. Auch heute stehe ich noch oft an der Rahn-Skulptur. Vatter, ich denk dann ganz fest an Dich, und in Gedanken rufen wir in dem Moment gemeinsam: „Nur der RWE!“. W ir beide verbrachten fast jeden Nachmit - tag „Auf Schlacke“. So nannten wir den Spielplatz und die Rasenflächen auf der schon in den 1920er Jahren stillgelegten Zeche Kat- tendahl in Frintrop. Jede freie Zeit, bei Wind und Wetter, verbrachten wir hier, und wenn wir nur zu zweit waren, spielten wir einfach die Bundesliga nach. Wer im Tor stand, kom- mentierte wie einer der Reporter der legendär- en samstäglichenWDR2-Radiosendung „Sport und Musik“. Natürlich erzielte unser RWE da- bei die meisten Tore und war eigentlich un- schlagbar. Jetzt aber sollte es also endlich vom Schlackenberg an die Hafenstraße gehen. Die Vorfreude war groß. Der 7. Juni 1975 war ein heißer Sommertag, und so hatte uns Mut- Das Georg-Melches-Stadion in den 1970er Jahren. (Fotos: Archiv Schrepper) Vater und Sohn im Mai 2022 das letzte Mal an der Hafenstraße.

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