Kurze Fuffzehn #19
Historie 16 | Kurze fuffzehn 2024 2025 Udo Lattek hatte den FC Bayern zur stärksten deutschen Vereinsmannschaft im ersten Jahrzehnt seiner Bundesliga - zugehörigkeit aufgebaut. Nach dem Sieg im DFB-Pokal 1971 wurde er mit den Bayern von 1972 bis 1974 dreimal in Folge Deutscher Meister. 1974 folgte die europäische Krönung: Als erste deutsche Mannschaft gewannen die Bayern den Euro - papokal der Landesmeister gegen Atlético Madrid. Doch in der anschließenden Saison mit der bis dahin schlechtesten Bayern-Bundesliga-Bilanz kam für den Erfolgscoach im Frühjahr 1975 das Aus. Rot-Weisse Bundesligazeiten Vor 50 Jahren – Udo Lattek, das Phantom auf der rot-weissen Trainerbank. das erwartungsfrohe Umfeld optimistisch. Und über seine angeblichen Vollmachten berichtete die WAZ in einem fettgedruckten Rahmen innerhalb des Artikels: „Er kauft und verkauft Spieler; er bestimmt die Art der Vorbereitungen eines Spiels; er entscheidet über die Zahl von Privatspielen.“ Doch es kam anders. Den Fußballmessias zog es plötzlich an den linken Niederrhein, wo eine Trainerstelle in Mönchengladbach frei wurde, da Hennes Weisweiler, Fußballguru und Vater der Fohlenelf, beim FC Barcelona eine neue Herausforderung suchte. „Was würden Sie denn machen, wenn Sie die Wahl zwischen einem Fahrrad (Essen, die Red.) und einem Mercedes (Mönchenglad- bach) hätten?“, fragte Udo Lattek die schrei- bende Zunft und erklärte gleichzeitig in der WAZ: „Verträge sind im Fußball-Geschäft kein Maßstab.“ Außerdem habe es nur eine mündliche Vereinbarung gegeben. „Der Verein verliert an Ansehen, wenn er das Theater mit Lattek nicht schleunigst been- det.“ und „Rot-Weiss darf sein Gesicht nicht verlieren“, hieß es in der Essener Presse. RWE erteilte die Freigabe, die sich Borussia Mönchengladbach angeblich 25.000 DM kos- ten ließ. Späte Quittung Verziehen haben ihm die Essener Fans die- sen Vertrags- und Wortbruch nicht. Die Quittung gab es am 13.09.1992 als Lattek mit Schalke 04 im DFB-Pokal 0:2 an der Hafen- straße verlor. „Das war die bitterste Niederlage in meiner ganzen Trainerlaufbahn. Ich hatte nach dem Spiel so die Schnauze voll, dass ich meine Mannschaft bis gestern ignoriert habe“, be- kannte er eine halbe Woche nach dem Pokal- desaster. Doch eine Niederlage der Bayern in Essen kannte er ja bereits aus seinem ersten Münchener Bundesligajahr 1970/71. Damals gestand er nach der 1:3 Niederlage an der Ha- fenstraße ein: „Wir können in Essen einfach nicht gewinnen.“ Ein Beitrag des rot-weissen Vereinshistorikers Georg Schrepper. R WE-Präsident Will Naunheim und der Bayern-Meistertrainer sollen sich we - nig später nach ein paar Pils und Williams Birne einig geworden sein, da ja schließ- lich laut Lattek „das Essener Bier viel besser schmeckt als der in München gebraute Gers- tensaft.“ Dass sich die Vertragsunterzeich- nung dennoch hinausgezögert hatte, be- gründete Udo Lattek so: „Ich hatte ein fettes Angebot aus Spanien, das überdacht werden musste. Schließlich reizte mich die Essener Aufgabe mehr, nachdem ich die Mannschaft dreimal gesehen hatte.“ Außerdem habe er ja schon 1967 mit RWE über die Übernahme des Traineramtes verhandelt. Jetzt war es endlich so weit. „Um 11.05 Uhr am Sonntag, 16. März 1975, unterschrieben am runden Tisch im Klub- zimmer von Rot-Weiss Essen im Tribü- nenbau an der Hafenstraße Präsident Will Naunheim (56) und Diplom-Sportlehrer Udo Lattek (40) einen Trainervertrag, der am 1. Juli dieses Jahres beginnt und sich um drei Jahre verlängert, wenn er nicht von einer der beiden Parteien nach neun Monaten gekün- digt wird“, schrieb Lutz Schröter damals in der WAZ. Mit ihm hoffte der RWE-Präsident „bald wieder an die Erfolge der Jahre von 1952 bis 1955 anknüpfen“ zu können. Wirklich auf einer Wellenlänge? „Udo Lattek funkt mit mir auf der gleichen Wellenlänge“, verkündete der RWE-Boss und sah im März 1975 angesichts des un- terschriebenen Einjahresvertrags eine neue Zeit an der Hafenstraße anbrechen. „Hier kann man etwas bewegen“, stimmte Lattek Zu schön, umwahr zu sein: Willi Naunheim (l.) und Udo Lattek bei der Vertragsunterzeichnung. Karikatur aus der Tagespresse. (Repros: Archiv Schrepper)
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